Donnerstag, März 22, 2007

Attraktiver Zukunftsmarkt für vernetzte ICT-Systeme im Gesundheitswesen

Wir hatten mit einem dynamischen Team Kapitalgeber aus der Pharma- und Medienindustrie gefunden, welche bereit waren, unsere Projektideen bis zu einem Pilotstadium hin zu finanzieren. Eine Gruppierung von AerztenInnen (Professoren mit ihren AssistentenInnen), ApothekernInnen und PsychologenInnen waren bereit, sich für das Projekt zu engagieren. Es wurde eine operativ tätige Gesellschaft in Deutschland und eine Vertriebs-/Patentgesellschaft in der Schweiz gegründet.

Wir glaubten daran, dass unter Einsatz einer Plattform den Akteuren im Gesundheitswesen webbasiert On-Demand-Services angeboten werden können, welche die Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung verbessern. Voller Enthusiasmus wurden die Prozesse im Bereich der Befundaufnahme, der Diagnosefindung sowie der Therapie für ausgewählte Krankheitsbilder dokumentiert. Die Erkenntnisse der einzelnen Fachdisziplinen wurden für die einzelnen Krankheitsbilder zusammengeführt.

Die Funktion des Apothekers wurde im Netzwerk zum festen Bestandteil einer integrierten Gesundheitsversorgung. Seine Rolle verändert und aufgewertet. Für die psychologiche Betreuung konnten neue Wege in den entscheidenden Lebenssituationen aufgezeigt werden. Es wurden Lösungen für Spezialsituationen wie Prüfungsangst, Betreuung nach Schicksalsschlägen wie Todesfällen einer nahe stehenden Person, schwere Erkrankungen im Familienumfeld, Unfällen usw. entwickelt.

Die Begeisterung für die Möglichkeiten des Web nahm bei allen Beteiligten mehr und mehr zu. Aus der anfänglichen Hoffnung wurde immer mehr Gewissheit. Hier liegen enorme Möglichkeiten der qualitativen Verbesserung und der Effizienzsteigerung und auch Kostensenkungspotentiale brach, welche bereits mit dem State of the Art der Technologien ausgeschöpft werden konnten.

Die einzelnen Projektteams mit insgesamt über 30 MitarbeiternInnen hatten nach ca. 2 Jahren ihre Aufgaben weitestgehend erfüllt. Es ging nun darum, Wege zu finden, um die Resultate der Arbeit in die bestehenden Strukturen der medizinischen Betreuung einzubringen. Da mussten wir erkennen, dass diese den bestehenden Gegebenheiten nur sehr bedingt Rechnung tragen. Es fing schon mit den Standesorganisationen der einzelnen Fachdisziplinen an. Diese waren zwar von den erzielten Ergebnissen durchaus angetan, hatten jedoch den Eindruck, dass die entsprechenden Aktivitäten integrierter Bestandteil ihrer Fachdisziplin sein sollte. Im vorgesehenen interdisziplinären Ansatz auf einzelne Krankheitsbilder hin sah man eine Konkurrenzierung der eigenen Disziplin. Wenn schon, dann ging es darum, sich rechtzeitig entsprechend zu positionieren. Demzufolge wurden die Vertreter der Standesorganisationen im Projekt wurden angehalten, dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse prioritär der eigenen Fachdisziplin zur Verfügung stehen würden.

Wir mussten erkennen, dass es an der entsprechenden IT-Infrastruktur und insbesondere an den Vergütungssystemen mangelt, um die gewonnen Erkenntnisse entsprechend umsetzen zu können. In Gesprächen mit den Exponenten der Gesundheitspolitik – welche unsere Arbeiten zwar hoch lobten und sich teils gar begeistert darüber äusserten – kam deutlich zum Ausdruck, dass eine entsprechende Anpassung der gesetzlich verankerten Vergütungssysteme mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen würde, bis diese in Kraft treten könnten.

Ferner mussten auch zur Kenntnis nehmen, dass die Ausbildungssysteme ein wesentliches Hindernis für einen verbreiteten Ansatz darstellte. Wir gingen die Studienpläne der relevanten Ausbildungslehrgänge unter dem Aspekt der Telemedizin durch und stellten ernüchtert fest, dass hier ein grosser Nachholbedarf bestand.

Praktisch sämtliche Projektteilnehmer waren sich in der Folge darüber einig, dass strukturell, von der IT-Infrastruktur, den Vergütungssystemen sowie von der Ausbildung her das Fundament fehlt, um unserem Konzept zu einem schnellen Durchbruch zu verhelfen. Erst wenn sämtliche Akteure im Gesundheitswesen vernetzt werden und sich einem gemeinsamen System anschliessen – was bei einer On-Demand-Lösung übrigens mit nur bescheidenen Hardware-Investitionen für die Akteure des Gesundheitswesens verbunden ist – kommen die qualitativen und effizienzmässigen Effekte voll zum Tragen.

Der Schlussfolgerung und der Antrag des Projektteams an die Kapitalgeber lautete übereinstimmend:
  • Potentiell sehr interessante Perspektiven in vielen Bereichen der Leistungserbringer im Gesundheitswesens mit einem enormen Nutzen- und Wertschöpfungspotential.
  • Für eine erfolgreiche Umsetzung eines umfassenden Systems fehlt das Fundament. Strukturelle und vergütungsmässige Restriktionen stehen derzeit einer erfolgreichen Umsetzung im Wege.
  • Die Projektidee ist in einigen Jahren mit einer neuen, breit abgestützten Trägerschaft umzusetzen. Auf die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse der Projektarbeiten kann dannzumal aufgesetzt werden.
Empfehlungen, welche in der Folge vom Aufsichtsrat auch angenommen wurden.

Freitag, März 09, 2007

Wesen und Schicksal von Pionieren...?

Nun ist die Nachfolgeregelung in Form des Teilverkaufs der Unternehmensgruppe vom Tisch. Dazu war allerdings der sanfte Druck wichtiger Aktionärskreise und der Banken erforderlich. In den letzten Tagen herrschte viel Hektik. Die erreichte Lösung mag allerdings kaum zu begeistern. Vor einigen Jahren kaum denkbar, musste sie vom Pionierunternehmer aus einer gewissen Defensivposition heraus akzeptiert werden.

Dennoch – er war über Jahrzehnte ein überaus tüchtiger Unternehmer. Aus kleinsten Anfängen hat er eine bedeutende Unternehmensgruppe mit einer europaweiten Dimension aufgebaut. Als noch kaum jemand die Perspektiven der osteuropäischen Märkte erkannte, hat er dort erste geschäftliche Kontakte angebahnt. Nach der politischen Wende trugen seine Anstrengungen reiche Früchte.

Seit über fünfzehn Jahren waren wir mit der Nachfolgeregelung beschäftigt. Wir hatten alles sorgfältig geplant. Im kleinen Kreis wurde eine strategische Analyse der vorhandenen Zukunftsoptionen erarbeitet. Mögliche Führungs- und Beteiligungsmodelle bearbeitet und konkretisiert. Als es dann um die konkrete Umsetzung ging, da schreckte er stets zurück. Er fand immer wieder Argumente, weshalb die unterschriftsreife Lösung nicht optimal und daher nicht umzusetzen sei. Es mangelte im Laufe der Jahre wahrlich nicht an attraktiven Angeboten - ganz im Gegenteil. Selbst die führenden Mitarbeiter waren bereit, sich finanziell massgeblich zu beteiligten. Ein klarer Beweis dafür, dass auch sie an die Zukunft des Unternehmens glaubten.

Er konnte von seinem Lebenswerk nie lassen. Zwischen uns hatte sich im Lauf der Jahre ein tiefes, freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Deshalb konnte ich ihn auch offen auf seine Konstellation ansprechen. Ihm sichtbar machen, dass für ihn im Lebensablauf nun der Moment gekommen sei zu lassen. Den natürlichen biologischen Prozessen nicht krampfhaft paroli bieten zu wollen. Vielmehr akzeptieren, dankbar sein für das Erreichte, sich Neuem zuwenden. In meiner Anwesenheit wurden meine Ausführungen von ihm akzeptiert, mit nonverbalen Gesten deutlich bestätigt. Doch ganz in sein Innerstes drang ich offensichtlich mit meinen Ausführungen nicht. Ein paar Tage später klang es bei gelegentlichen Telefongesprächen schon wieder anders.

Er ist alles andere als ein Einzelfall. Er ist vielmehr Repräsentant einer tüchtigen Unternehmergeneration, welche nach dem Weltkrieg mit grossem persönlichen Einsatz ein Unternehmensgebilde geschaffen hat, auf welches er zu Recht stolz sein darf. Dann kommt aber schlussendlich die als tragisch zu bezeichnende Zeit, wo er seinem Lebenswerk selbst schadet.

Typisch auch die Unterredung unmittelbar nach dem Verkauf. Er legt mir die handschriftliche Skizze eines an sich interessant erscheinenden, innovativen Konzeptes aus einer Kombination von Etiketten und RFID-Technologien vor. Dies begleitet von der Bemerkung: Lass uns dies nochmals gemeinsam umsetzen! Ich erhalte von ihm den Auftrag, das Konzept kritisch zu überprüfen und zu konkretisieren. In seinen Augen erkenne ich wieder das mir bekannte Leuchten. Vor dem Hintergrund gemachter Erfahrungen werde ich in führungsmässiger und personeller Hinsicht klare Forderungen zu stellen haben, soll die Projektidee erfolgreich umgesetzt werden können.

Donnerstag, März 01, 2007

Telekomunternehmen und der Content

Im Zentrum der letzten Woche stand ein Workshop bei einem bedeutenden Telekomunternehmen. Initiiert wurde der Termin von einer Gruppierung von Medienunternehmen. Von dieser Seite her beklagt man das mangelnde Verständnis der Telcos für die Bedeutung des Contents und insbesondere dessen Aufbereitung. Und damit verbunden das partnerschaftliche Grundrundverständnis, das künftig für eine Ausschöpfung der mit der Konvergenz verbundenen Marktchancen unabdingbar erforderlich erscheint.

Die Konvergenz der Medien (TV, Internet, Festnetz und Mobile) führt zum Umbruch im Kabelnetz-, Telekommunikations-, Fernseh- und Internetmarkt. Die Anbieter können sich nicht mehr mit einem Teil des Kuchens zufrieden geben, sondern müssen danach streben, (wieder) ein Versorgungs-Monopol aufzubauen. "Triple Play", die Kombination von Telefonie, Internet und TV wird im nächsten Schritt erweitert um Mobilfunkanwendungen. Für den Kunden soll damit eine einfache Möglichkeit geschaffen werden, einen Rund-um-Service aus einer Hand zu abonnieren.

Ein derartiges Konzept kann erfolgreich sein. Voraussetzung dazu ist allerdings ein attraktiver Content. Dieser unterscheidet sich wesentlich von der traditionellen „Darreichungsform“ traditioneller Print- und elektronischer Medienprodukte. Diese Konstellation ist brisant, weil das „konventionelle“ Fernsehen kaum mehr Wachstumsperspektiven aufweist, da ein junges Publikum zunehmend das interaktive Internet mit den Möglichkeiten der Personalisierung nutzt und zudem der Content für mobile Services ganz eigenen Gesetzen gehorcht.

So ist Triple Play oder gar Quadruple Play für die Telcos wenig Erfolg versprechend, wenn sie nicht in der Lage sind, sich den dafür erforderlichen, speziell zubereiteten attraktiven Content zu beschaffen. In der heutigen Konstellation bieten viele Telcos den potentiellen Lieferanten von Content für das Quadruple Play – zur Mehrheit die Medienindustrie und verwandte Dienstleister – nur bescheidene finanzielle Anreize. Die Neigung der Medienindustrie ist daher gross, sich ausgehend von vorhandenen Objekten mit einem eigenen Angebot zu befassen.

Die Konvergenz der TIME-Industrie zwingt zu einer Neukonzipierung der lokalen, nationalen und globalen Medienangebote. Geschieht dies nicht rechtzeitig, so werden die von den globalen Suchmaschinen getriebenen Dienste immer mehr Marktanteile in den herkömmlichen nationalen und regionalen Medien erobern. Das Inserateaufkommen sinkt weiter. Diese Entwicklung geht einher mit einem Wachstum der Werbeflächen, welche durch die Millionen von Seiten im Internet und insbesondere aus den Suchfunktionen heraus entstehen.

Innovative Medienprodukte erfordern ein Bündel von Ressourcen, welche von einer Anbieterkategorie allein (Telcos und Medien) nicht erfolgreich bereitgestellt werden kann. Dies trifft ganz besonders in der Konstellation europäischer nationaler und regionaler Märkte mit relativ bescheidenen Leser- und Inserentenzahlen zu.

Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen der TIME-Industrie sollten die Telcos und die Medienindustrie einen Schulterschluss und ein grundsätzliches Commitment eingehen, welches geeignet ist, folgende Ziele zu erreichen:
  • Die bestehenden regionalen und nationalen Medienangebote stärken, indem die Telcos der Medienindustrie die entsprechenden „Gefässe“ zu attraktiven Konditionen zur Verfügung stellen, in denen diese ihren Content Erfolg versprechend verbreiten kann.
  • Für ausgewählte Themenbereiche mit einer entsprechenden Absenderkompetenz neue multimediale Dienste – für die es noch keine direkten Vorläufer gibt - für eine exklusive Kundschaft gemeinsam entwickeln und vermarkten.
  • Für die Zusammenarbeit Basisstandards und Bandbreiten der finanziellen Entschädigung für die beteiligten Akteure festlegen.
Nach diesem Workshop muss ich den Medienverantwortlichen mit ihrer Skepsis leider recht geben. Von der Unternehmenskultur her tun sich die Telcos offensichtlich schwer, sich auf die neue Konstellation angemessen einzustellen. Lässt sich hier keine Änderung herbeiführen, so ist ein weiterer Flop wie bei WAP und UMTS auch beim Quadruple-Play vorprogrammiert. Die damit verbundenen Chancen können nur bedingt ausgeschöpft werden. Dass sich insbesondere die grossen Telekomunternehmen über einen akuten Kundenschwund beklagen ist unter diesen Rahmenbedingungen alles andere als verwunderlich.