Donnerstag, Juni 07, 2007

Ueberholte Methoden vieler Berater

In der letzten Woche wurde ich von der Geschäftsführung eines sehr traditionsreichen mittelständischen Unternehmens kontaktiert, das in einer schwierigen Situation steckt. Einmal mehr musste ich zur Kenntnis nehmen, wie überholt und teilweise gar unverantwortlich Berufskollegen mit dieser Konstellation umgehen.

Ausgangslage
Ein fast 200jähriges Unternehmen aus der Metallindustrie hat sich zu lange auf die bestehenden Produktlinien verlassen. Es entstand ein Selbstverständnis, dass nach einem konjunkturellen Einbruch der Wideraufschwung schon wieder einsetzten – die Auftragsbücher dannzumal wieder voll sein werden. Man hat verkannt, dass es sich diesmal um eine strukturelle Krise handelte. Die traditionellen Produkte wurden mehr und mehr von Systemlösungen abgelöst. Diese Tendenz führte dazu, dass man immer weiter vom Endabnehmer abrückte. Man wurde Zulieferer von Zulieferern, welche die attraktiven Systemlösungen an den Endkunden lieferten. Die Konditionen wurden immer schlechter – reichten nicht mehr auf, um sich in der Gewinnzone zu bewegen.

Zudem hat man die Auswirkungen der Globalisierung zu spät in Rechnung gezogen. In den Wertschöpfungsketten befinden sich Prozesse, welche man in einem Hochlohnland nicht mehr abwickeln konnte. Das Zusammenspiel dieser Unzulänglichkeiten führte dazu, dass man in den letzten Jahren bei einem Umsatz in der Grössenordnung von € 30 Mio. einen Verlust von nahezu € 3 Mio. hinzunehmen hatte.

Der Beratereinsatz
Dabei hatte man recht zeitig erkannt, dass man sich auf externes Know-how abzustützen hatte. Insbesondere bei der Prozessgestaltung verfügte man nicht mehr über eigene Kompetenzen, um unter Berücksichtigung der naturgemäss vorhandenen Betriebsblindheit den Anpassungsbedarf richtig erkennen zu können. Zudem fehlte auch das Know-how im Bereich der Informatik. Diese Konstellation veranlasste die Geschäftsleitung in den letzten drei Jahren, sich vermehrt an Berater zu wenden. Diese befassten sich nun mit der Aufgabe, die Prozesse systematisch zu analysieren und gestützt darauf ein zukunftsorientiertes Konzept zu entwickeln. Anstatt nun aber die Mitarbeiter in die Projektarbeiten bestmöglich einzubeziehen wurden grössere Beraterteams eingesetzt. Diese entwickelten mehr oder weniger eigenständig Lösungen und versuchten diese zu implementieren.

Das Ergebnis
Die an sich gar nicht so unvernünftig definierten Geschäftsprozesse und Informatiklösungen stellten im Rahmen der bestehenden Unternehmenskultur eigentliche Fremdkörper dar. Die MitarbeiterInnen konnten nicht damit umgehen. Die Akzeptanz war nicht da – im Gegenteil – sie wurden geradezu abgelehnt und boykottiert. Man war nicht in der Lage, deren Notwendigkeit zu erkennen. Die erhofften Effekte bezüglich Effizienz- und Qualitätssteigerung traten nicht ein. Dazu kamen währen drei Jahren Beratungskosten in der Grössenordnung von € 3 bis 500'000.-. Eine absolut unverhältnismässige Grösse.

Die Berater haben einen Ansatz gewählt, welcher primär ihren Interessen und nicht denjenigen des Kunden diente. Hätte man Projektteams unter Einschluss der Mitarbeiter gebildet und sich vor allem auf ein professionelles Projektmanagement konzentriert – man hätte die Aufgabenstellung mit einem Beratungshonorar in der Grössenordnung von 80 bis 120’00 € pro Jahr abwickeln können. Zudem wären die Ergebnisse bedeutend besser ausgefallen.

Verantwortungsvolle Berater richten sich heute methodisch neu aus. Man ist in erster Linie für ein professionelles Projektmanagement verantwortlich und steuert dasjenige Know-how bei, das erwiesenermassen im Unternehmen fehlt. Dies zudem möglichst selektiv. Den Rest – und damit nicht zuletzt den Projekterfolg – den überlässt man den MitarbeiternInnen des Auftraggebers. Ein ganz entscheidender Aspekt für den Erfolg von Projekten, bei welchen die Informatik eine erhebliche Rolle spielt. Denn es ist eine alte Erkenntnis: Wenn die Mitarbeiter beweisen wollen, dass eine Informatiklösung nichts taugt, so wird ihnen dies auch gelingen.

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie Berater die Konstellation von Unternehmen, welche sich in einer Defensivposition befinden, teils schamlos ausnützen. Ein Verhalten, welches dem Image der Berater äusserst abträglich ist. Dass nach derartigen Erfahrungen erhebliche Berührungsängste vor der Beraterzunft vorhanden sind, muss demzufolge nicht erstaunen.